Ob Heimkind, ob geprügeltes Kind, ob andere unsere Grenzen so verletzt haben, dass wir vor Scham im Boden versinken wollten: Wir wollen es vergessen, wollen es ungeschehen machen und nicht mehr darüber reden. Wir brauchen alle Kräfte zum Überleben.
Doch die Gedanken tauchen immer wieder einmal auf, belasten uns durch angestrengte Selbstkontrolle,
bis sie vielleicht durch Alter oder körperliche Störungen heraus brechen, oder die Ängste unser Leben bestimmen.
Es ist wie ein innerer Untergrund, den auch alle Untergrund-Kämpfenden kennen: Danach lässt sich kaum davon fast nicht erzählen, weil es für andere kaum zu glauben ist, weil sie den Belastungen und Gefühlen nicht folgen können. Das macht noch einsamer.
Trauma braucht Anerkennung: Eigene und Fremde. Erst einmal zugestehen, dass es so war, das es so ist, und dass es vorbei ist. Andererseits braucht es auch die Integration: Dass es bei aller Belastung ein teil von mir geworden ist.
Der Polizeiübergriff, die sexuelle Bedrängung, auch die eigene Schuld, der Anteil am Leid oder gar der Tod von Anderen: Wir müssen es in unsere Lebensgeschichte integrieren, und das fällt
Opfern wie Tätern gleich schwer, wird darum so oft verdrängt.
Da sterben alte Männer monatelang nicht, weil sie ihr Schweigen
festhalten wollen, ihre alten Taten wissen, aber nicht aussprechen
können, oder beruhigen sich erst bei einer Lebensbeichte, und sind dann wirklich erleichtert und können los lassen ... da quälen sich Frauen ihr Leben lang mit den Erinnerungen und der vermeintlichen Schande ihrer Vergewaltigung im Krieg ...
Die Unfähigkeit, zu trauern:
Die Grundlagen kollektiven Verhaltens beschrieben die beiden Mitscherlichs, Margarete und Alexander.
Sie hatten in der Psychotherapie die Verdrängung so oft miterlebt und die bleibende Belastung empfunden:
Die Polizeiübergriffe der "Schwabinger Krawalle" 1962 und der Friedens- und späteren Studentenbewegung mit mehreren Toten sprachen eine klare Sprache des alten Faschismus, ohne dass es den Agierenden wirklich deutlich werden konnte.
protest-muenchen.sub-bavaria.de/artikel/3524
Gemeinschaftliche Bewältigung
Seit die gewalt-erfahrenen Heimkinder ihre Selbstorganisation aufbauten
und nicht nur um Anerkennung und Entschädigung kämpfen, sondern auch
austauschen, was ihnen die diversen Nonnen, Erzieher und Heimleitenden
angetan haben, sind sie auf den Spuren der Bewältigung, die nicht nur in
einzelner Psychotherapie bestehen kann: Wir brauchen auch die
Anerkennung von außen, im Idealfall auch die Einsicht der Täter, um uns
mit dem Schicksal zu versöhnen.
Der versäumte Abschied von der Volksgemeinschaft.
Psychoanalyse und „Vergangenheitsbewältigung“
Gesellschaftliche Anerkennung
Es geht für die Einzelnen natürlich um die Eingrenzung des Schadens, der möglicherweise in langjährigen und wiederholten beruflichen Krisen und Rückschlägen bestehen kann, aber die bisherigen Anerkennungen (z.B. bei den Kirchen mit 5000 Euro) reichen kaum für eine kleine Therapie, und die Berichterstattung blieb nach den großen Skandalen auch wieder auf der Strecke:
Die Selbsthilfegruppen können eine Grundlage schaffen, dass in Zukunft angemessen berichtet wird, dass die Grenzverletzungen und die Spuren des Missbrauchs in den verschiedenen Bereichen,
auch im Sport und in den Jugendämtern, durch die die Schulen und die
Verwaltung als Gewalt anerkannt werden. Auch wenn die Lehrerverbände
noch uneinsichtig bleiben werden. twitter: @GewaltErziehung
https://fritz-letsch.eineweltnetz.org/trauma-traumb
Vergangenheitsbewältigung in der Altenpflege
Die Traumen der Erziehung und der Kriegserfahrungen werden durch innere
Grundhaltungen an die nächsten Generationen weitergegeben: Die Lüge lebt
in vielen Familien als Grundstruktur.
"Gegenüber der mythisierenden Praxis der herrschenden Eliten erfordert die dialogische Theorie, dass die Welt enthüllt wird. Es kann jedoch keiner die Welt für einen anderen enthüllen.
Obwohl ein Subjekt den Vorgang des Enthüllens für andere
einleiten kann, müssen doch auch die anderen zu Subjekten dieses
Vorgangs gemacht werden." (Paulo Freire: Pädagogik der Unterdrückten. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1973, S.144)
Dank an das paulofreirezentrum.at
Unser Bildungssystem hat uns auf Vereinzelung und Verfolgen sowie verteidigen der eigenen Gedanken und Leistungen getrimmt.
Forschendes Feld als gemeinschaftliches Erspüren von Hintergründen, Zusammenhängen, Motiven
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wird zwar immer gefordert, aber
wenig durch praktische Anleitungen und Beispiele vermittelt.
Ein forschendes Feld kann in gemeinschaftlicher Entwicklung auf
spezifischer Einladung eine Situation schaffen, die alle zu ihren
Beiträgen ermutigt und in gegenseitig vorgestellten Geschichten und
Assoziationen alle Beteiligten anregt, über die bisher bekannten
Möglichkeiten hinaus zu denken: Neue Seminar- und Veranstaltungsformen,
die speziell zu den Themen passen, neue Arbeitsformen, die intensivere
Begegnungen und qualitative Begleitforschung sichern.
Regelmäßige Reflexionen der Vorgehensweisen garantieren die Beteiligungen aller:
Die jeweilige fachliche Fragestellung und die persönliche Einschätzung
sollen sich ergänzen, eine politische Einordnung verankert den Weg in
die gesellschaftliche Verantwortung der Themen.
Im Forumtheater ist die Methode zu Hause:
Mit den "generativen Themen" der Teilnehmenden starten wir den
Lernprozess an den Konflikten, die im Augenblick wichtig sind, um das
Lernen maximal zu motivieren: Was ärgerte mich zuletzt, wo empfinde ich
wirkliches Unrecht, wie gestalten wir - mit interessierten Partnern -
eine gesetzliche oder politische Veränderung?
Am Beispiel der Flüchtlingsarbeit:
Die beruflichen Mitarbeitenden starten Kreise mit den ehrenamtlich Einbezogenen zur gegenseitigen Fortbildung, die im Prinzip der Kreisdiskussion (auch als Fishbowl bekannt) auch für
die Migranten offen ist und von wechselnden Personen zusammengefasst
übersetzt wird.
Am Beispiel der Montagsdemo München:
Kreise bilden, die ihre Interessen zusammentragen und kleine Treffen
organisieren oder weitere Internet-Treffpunkte, um Themen wie
Datensicherheit, Friedenspolitik, Geldsysteme, etc selbst zu bearbeiten.
Gruppen mit Schülern, die für ihren diversen Unterricht Beiträge
vorbereiten, zu eigenen Diskussionen in ihren jeweiligen Medienkreisen
unterstützen, sie zu einem Gesprächskreis mit eigenen Bekannten einladen
...
Am Beispiel einer sexualpädagogischen Arbeitsgruppe:
Das Fehlen der Begriffe und der Sprache in der gesellschaftlichen
Auseinandersetzung, die in rechtspopulistischer Polarisierung gegen
Gender-Gerechtigkeit als Gleichmacherei und Familienzerstörung nun gegen
die gesellschaftliche Vielfalt polemisiert ...
Reaktionäre Familienbilder als Projektionen von Zukunftsangst blenden
die menschliche Selbstbestimmung lieber aus, verweisen alle abweichenden
Lebensentwürfe in den Krankheitsbereich und in kriminelle
Ansteckungsgefahr, wie das in den 50er Jahren üblich war: Information
ist Verführung.
In der Fortbildung und Organisationsentwicklung kann die Arbeitsweise ankommen:
Wenn sich Defizite wie der tatsächliche Umgang mit biografischer Pflege
zeigen, sind die Blockaden und Tabus ausfindig zu machen:
Traumatisierungen aus der Kindheit zwischen Flucht und Krieg belasten
viele Senioren, aber durch die familiäre Tabuisierung auch die Familie
und die nächsten Generationen.
In Fortbildungen für pflegende Angehörige, für Pflegeberufe, für alle
Mitarbeitenden in Altenheimen und durch Publikationen kann die
"Kriegskinder"-Thematik zur interkulturellen Einbindung migrierter
Mitarbeitender beitragen.
Neben der eigenen Annäherung an die gefürchteten Themen ist auch die
Annäherung an die Angst der sich bedroht fühlenden Menschen,
aber auch die Verhetzungs-Energie der reaktionären Einpeitscher und der
profit-orientierten Sozial-Marketing-Manager zu ergründen: Armut und
Lohnkürzungen sind kein Schicksal.
An welchem Punkt verlassen sie die eigene Logik, werden sie selbst
lächerlich? Dort ist mit dem Spiegel schon eine Lösung zu sehen ...
Gedanklicher Hintergrund ist die wissenschaftliche Entwicklung der Pädagogik von Paulo Freire,
der nach Projekten der Alphabetisierung in Brasilien und (für den
Weltkirchenrat) in vielen afrikanischen Ländern die Pädagogik der
Unterdrückten zusammen mit den kollegialen Fortbildungen im Dialog
entwickelte.
In den USA entstand aus den Forschungen zu kooperativen Arbeitsweisen die Lernende Organisation als kunden-orientierte Betriebsform. (Peter Senge, Fünfte Dimension)
Forschendes Feld im Wiki
andere ähnliche Quellenhttp://www.fh-potsdam.de/studieren/sozialwesen/studium/forschendes-lernen(wird fortgesetzt)